Wer verharrt, hat schon verloren

Führen in der Krise 

Dieser Artikel ist in englischer Sprache auf forbes.com erschienen.

Im Chinesischen setzt sich das Schriftzeichen für Krise aus zwei Teilen zusammen. Der erste lässt sich mit Gefahr, der andere mit Chance übersetzen. Beides Qualitäten finden wir in Krisen. Nicht alle Krisen sind Chancen. Aber viel mehr als wir glauben. 

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

Viktor Frankl

Wenn wir erkennen, dass wir eigenmächtig sind in allen Lebenslagen und dem Schicksal nicht ausgeliefert, dann können sich wertvolle Perspektiven und Handlungsoptionen ergeben. 

Warum es für Leader wichtiger denn je ist sich mit Krisenmanagement zu beschäftigen

Leader tragen Verantwortung für das Wohlergehen und den Fortbestand der Systeme, die sie führen. Ich weiß, an dieser Pflicht tragen sie schwer. Und doch konnten sie sich jahrelang darauf vorbereiten. Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie schon heute alles, was Sie brauchen, in sich tragen? Sie sind mit Sicherheit viel krisenerprobter als Sie glauben.

Machen Sie eine Liste:

  • Welche Lebenskrisen haben sie schon überstanden?
  • Wie haben sie das gemacht? Was haben sie gelernt?
  • Wie übertragen Sie das Gelernte auf das Hier und Jetzt? 

 Das Weltwirtschaftsforum (WEF) führte 2022 eine Umfrage[1] zur Erhebung globaler Risiken durch. Zu den Befragten gehörten Wissenschaftler:innen, Leader, Regierungsmitglieder, Personen der Zivilgesellschaft und Vordenker:innen. Der WEF-Bericht umfasst menschliches Leid, gesellschaftliche Störungen, wirtschaftliche Schocks, Umweltzerstörung und politische Instabilität. Die Klimakrise und seine ökologischen Folgen dominieren dabei die Liste des WEF. Mehr noch, nahezu die Hälfte aller Befragten (41,8%), gab an, dass sie den Ausblick auf die nächsten drei Jahren als ständig schwankend mit vielen Schocks sehen. 

Dabei ist es wichtig den Unterschied zwischen Krisen- und Risikomanagement zu kennen. In der Praxis von Unternehmen überschneiden sich beide Ressorts. Während sich Risikomanagement darauf konzentriert, wie man Bedrohungen verhindern kann, fokussiert sich Krisenmanagement auf die Entwicklung von Aktionsplänen für die Reaktion auf Notfälle und die Ausführung dieser Pläne. 

Die 5 essenziellen Elemente des Krisenmanagements

Vorbeugen
Risiken und Bedrohungen erkennen, vermeiden und/oder minimieren

Planen
Entwicklung von Krisenplänen

Informieren
Ein breites Spektrum an aktuellen Informationen und Nachrichten muss genutzt werden. Netzwerke können tragen und gute Impulse geben. 

Üben
Erprobung der Krisenpläne

Durchführen
Effektive Ausführung im Bedarfsfall

Krisen stellen Leader auf eine harte Probe

Krisen trennen die Spreu vom Weizen. Sie testen Leader auf ihre Führungsqualifikationen, Kreativität und Widerstandsfähigkeit. Diese Fähigkeiten können nicht anhand eines Leitfadens oder Handbuchs erlernt werden. In vielerlei Hinsicht ist erfolgreiches Krisenmanagement für Leader eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst und dem fordernden Erarbeiten von notwendigen Fähigkeiten. 

Leader brauchen Vertrauen in sich und andere 

Leader müssen Vorbilder innerhalb einer Gruppe sein. Sie müssen der Fels in der Brandung sein und ihre Entscheidungen auf der Grundlage von Fakten treffen. Deshalb brauchen sie vor allem Selbstvertrauen. Gleichzeitig dürfen sie sich weniger über- noch unterschätzen, sie müssen wissen, wo ihre Grenzen sind, was sie selbst übernehmen können und wann sie Aufgaben übergeben müssen. Sie müssen übernehmen, aber auch loslassen können. Um dies tun zu können, braucht es eine gefestigte Persönlichkeit, die auf sich und andere vertrauen kann. 

Leader müssen empathisch sein

Gute Leader müssen ein gutes Gespür für ihr Team haben und gerade in Krisenzeiten, die Unsicherheiten und Ohnmacht auslösen, erkennen, was Teammitglieder brauchen. Empathie ist kein nice-to-have, es ist ein strategischer Imperativ, der auch abseits von Krisen eine unabdingbare Führungsqualität sein muss. Empathie ist ein wichtiger Treiber für Innovation, Engagement und Integration. Aktuelle Untersuchungen[1] zeigen, dass die Kultivierung empathischer Führung eine der wichtigsten Strategien ist, um auf Krisen zu reagieren. Ein empathischer Leader zeigt (Für-)Sorge und Verständnis für die Lebensumstände seiner Mitarbeiter:innen. 


[1] https://www.catalyst.org/reports/empathy-work-strategy-crisis/

Leader müssen Kreativität fördern

Kreativität ist der Schlüssel für das Durchstehen einer Krise und die Reorganisation nach einer Krise. Führungskräfte müssen die Kreativität ihrer Mitarbeiter:innen entdecken und nutzen, um durch schwere Krisen hindurch erfolgreich sein zu können. Leader müssen ihre Vorstellungen davon, was Kreativität bedeuten überdenken, um sie auch fördern zu können. Kreativität ist universell. Sie ist ein Teil des Menschseins. Kreativität umfasst die Nutzung unserer individuellen Vorstellungskraft, die Fähigkeit Ideen weiterzugeben und die Welt um uns zu interpretieren. Fördern Sie eine Kultur, die Diversität stärkt. Menschen wollen die Ideen anderer hören, damit sie ihre eigenen Ideen inspirieren oder schärfen können. Fördern Sie aber vor allem auch Ihre eigene Kreativität. Malen Sie, basteln Sie an einer Modelleisenbahn, puzzeln Sie und lassen Sie dabei Ihren Gedanken freien Lauf. Kreativität erweitert den Handlungsspielraum und lässt einem Inkubator gleich Ideen heranreifen, fördert das assoziative Denken und entspannt. 

Leader müssen kommunizieren (können)

Gerade in Krisenzeiten ist es für Leader von besonderer Bedeutung mit allen auf allen Ebenen zu kommunizieren. Klar, ruhig, sachlich. Dabei kann auch kommuniziert werden, was noch ungewiss oder im Entscheidungsfindungsprozess ist. Ihre Mitarbeiter:innen wollen gerade in unsicheren Zeiten wissen, was auf sie zukommt und es beruhigt zu wissen, dass Sie sich aktiv mit diesen Problemen auseinandersetzen. Ein „Ich habe noch keine Antwort darauf, gebe Ihnen aber Rückmeldung sobald ich sie habe“ ist vertrauensbildender als um den heißen Brei oder gar nicht darüber zu reden. Sprechen Sie auch Ihre Sorgen und Ängste an: Was ist negativ, was ist interessant, was ist ein positiver Nutzen aus der Situation? 

Leader müssen ruhig bleiben

Krisen verengen unser Blickfeld, sei verstärken Vorurteile und die selektive Wahrnehmung der Welt. Um emotional mit Krisen umgehen zu können, versucht unser Gehirn so viel wie möglich zu vereinfachen. Der Haken dabei? Unser Handlungsspielraum wird dabei enger. Neurowissenschaftler: innen nennen diesen Effekt „Raubtierangst“: Je weniger wir uns bedroht fühlen, desto mehr Raum haben wir Szenarien durchzudenken und strategisch zu handeln, je bedrohter wir uns fühlen, desto weniger Handlungsspielraum lässt unser Gehirn zu. Ohne unser aktives Zutun reagieren wir reflexartig, sind weniger kreativ im Finden von Problemlösungen als unter normalen Umständen und erklären uns die Welt einfacher und so wie sie uns gefällt, aber nicht wahrhaftiger. Daher ist es für Leader in Bedrohungsszenarien wichtig sich breiter als üblich zu informieren, offen für Fakten und andere Blickwinkel zu sein. Und: Leader sollten gerade dann auf Meditation und Achtsamkeitsübungen setzen, wenn alle um sie herum panisch agieren. Meditation schärft Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, emotionale Intelligenz, soziales Bewusstsein und vor allem die innere Ruhe, die Leader zur Bewältigung von Krisen brauchen.  

Diese Skills lassen sich nicht in einem Workshop am Wochenende erwerben. Sie erfordern eine intensive Arbeit mit sich selbst, Zeit, Geduld und vor allem viel Übung. Es sind keine Skills, die Leader nur dann aus ihrem Erste-Hilfe-Kasten hervorkramen sollten, wenn ein Notfall eingetreten ist. Sie sind die Basis-Skills großer Leader, die selbst bei ruhigstem Fahrtwind genutzt werden sollten. 


[1] https://www3.weforum.org/docs/WEF_The_Global_Risks_Report_2022.pdf

Living in a copy: Thames Town

Was Leadership mit dem chinesischen Thames Town zu tun hat

von Augustine Pasin (überarbeitet von Sabine Gromer, übersetzt von Daniela Luschin)

Drei Jahre lang habe ich in der Geisterstadt Thames Town im Shanghaier Distrikt Songjiang gelebt, die nach dem Vorbild einer englischen Stadt im viktorianischem Stil gebaut wurde.


1. Täuschen Sie nichts vor!

Thames Town ist aus gutem Grund eine Geisterstadt. Sie ist praktisch unbewohnbar. Was auf den ersten schnellen Blick wie eine authentische Nachbildung edler viktorianischer Stadthäuser aussehen mag, sind in Wirklichkeit flache Fassaden aus billigstem Baumaterial. Die wenigen Gebäude, die überhaupt noch genutzt werden können, beherbergen Lokale multinationaler Ketten, wie McDonalds, einen Familymart – das japanische Pendant von Minimarts – und einen äußerst deplatziert wirkenden Baskin-Robbins, eine amerikanische Eisdiele, die zu Dunkin’ Donuts gehört.

Was das mit Leadership zu tun hat? Auch viele Führungskräfte haben Fake-Fassaden um sich aufgebaut, während ihre authentische Führungspersönlichkeit unbewohnt, also leer ist. Sie sind, was sie zu sein glauben. Doch Fassaden wie diese sind schnell zu durchschauen. Die Illustion bröckelt. Man tut sich damit nichts Gutes, dauerhaftes Vortäuschen schadet einem auf kurz oder lang mental, führt zu Misstrauen im Umfeld und Demotivation unter der Belegschaft.
Anstatt vorzugeben etwas zu sein, das Sie nicht sind – und gleichzeitig auch noch 5 Milliarden Yuan beim Fenster rauszuwerfen – spielen Sie lieber Ihre Stärken aus!


2. Der Unterschied zwischen Leihen und Kopieren

Thames Town ist ein schamloser Versuch den einheimischen Tourismus mithilfe eines billigen Pappkarton-Disneyworlds der britischen Architektur anzukurbeln. Ein wenig Respekt muss man den Architekten für ihre mutige Unverfrorenheit schon zollen, dennoch, Thames Town ist für mich nichts anderes als das Abschreiben vom Sitznachbarn während eines schriftlichen Examens mit dem Resultat trotzdem durchzufallen.

Eines möchte ich klarstellen, es ist nicht prinzipiell falsch gute Ideen zu leihen, sich von großen Erfolgsstories inspirieren zu lassen. Aber seien wir uns ehrlich, die exakte gleiche Formel funktioniert – mit Ausnahme der Popmusik – selten zweimal. Wenn Sie ein Unternehmen gründen, an einem Kunstwerk arbeiten oder eine wissenschaftliche Arbeit schreiben, ist es wichtig, Ihre Strategie an Ihre eigenen Ziele, Ihr Publikum und Ihre Variablen anzupassen. Es ist die Einzigartikeit, nicht eine laue Kopie, die andere inspiriert. Übernehmen Sie ruhig Modelle, Umfragen, Führungstile, aber vergessen Sie dabei nicht, diese an Ihr Ich anzupassen!


3. Über die Oberfläche hinwegsehen

Und jetzt die Wende: Ja, unsere Mittelschullehrer hatten Recht. Es liegt ein intrinsischer Wert darin, etwas von Qualität zu schaffen, das von anderen bemerkt und geschätzt wird. Das Gegenteil dieser Aussage ist bei Thames Town voll zur Geltung gekommen: Es ist ein Sammelsurium schlecht gebauter britischer Gebäude, durch deren Mitte eine trüben Brühe, die chinesische Themse, fließt. Steht es mir zu Thames Town mit aller Schärfe zu kritisieren? Jeden Tag besuchen Hunderte frisch getraute Ehepaare aus Shanghai die Stadt an der falschen Themse, um sich mit ebenso gefaktem Lächeln vor der gemeindelosen Kirche, dem falschen Gardeoffizier der nicht existenten Königin oder Statuen berühmter historischer Ikonen der britischen Geschichte wie Harry Potter ablichten zu lassen. Cheese!

Letztendlich hat Thames Town sein Ziel erreicht. Einheimische TouristInnen pilgern in Scharen an diesen Ort überbordender Geschmacklosigkeit. Trotz aller unübersehbarer Mängel ist Thames Town ein Erfolg und erinnert mich daran, dass selbst minderwertigste Produkte bei oberflächlich betrachtet halbwegs passabler Ausführung und unter Beachtung des Verbraucherbewusstseins Verkaufsschlager sein können.

Lassen Sie uns das auf Leaderhip umsetzen. Es ist gut möglich, dass Sie als Führungskraft mit einer Kürzung Ihres Budgets konfrontiert sind, dass Sie also weniger Möglichkeiten haben sich und Ihre Talente voll zu entfalten. Und doch, es gibt Vieles, das sie auch mit einem knappen Budget machen können, das Freude und einen posiviten Vibe erzeugt und ihre Belegschaft zu guter Leistung motivieren kann. Wie wäre es mit handgeschriebenen Dankeskarten, mit einem Pizza-Freitag oder einer virtuellen Tasse Kaffee?

Trotz des grellen Auftritts, trotz der schäbigen Umsetzung und des Fehlens authentischer britischer Produkte, habe auch ich es schlussendlich während meiner Zeit in China genossen, die Wochenenden mit meinen Freunden in Thames Town zu verbringen, ein Eis bei Baskin-Robbins zu schlecken oder mit einer reizenden älteren Frau hinter dem Tresen von Familymart mein Chinesisch zu verbessern. Mein finaler Ratschlag für Führungskräfte ist der folgende: Schauen Sie über die Oberfläche hinweg, vielleicht finden Sie einen Diamanten unter der rußigen Oberfläche versteckt.

JA, ABER

Die unselige Kraft zweier Wörter und wie sie die Welt und uns in die Stagnation treiben

von Sabine Gromer und Daniela Luschin

gekürzte Version

Die Welt dreht sich und wir uns mit ihr. Unser Alltag ist alles andere als Stillstand, viel zu tun, endlos lange Task Lists und wir immer wieder am Rotieren. Und doch bleibt so vieles, so grundlegend Wichtiges unangetastet liegen, unbeachtet in der Stagnation. Einer der Ursachen dafür: zwei kleine Wörter! Zwei, die voneinander unabhängig so harmlos unscheinbar wirken. Irgendwer hat irgendwo JA, ABER  ausgerufen und damit auf Standby geschalten.

JA, ABER treibt den Klimawandel voran

Ob im virtuellen oder reellen Raum, in Krisen verengt sich unser Blickfeld. Unsere Vorurteile Wir wissen alle um die Risiken des Klimawandels. Veränderung ist notwendig. Nicht morgen, schon gar nicht übermorgen, sondern Jetzt. Wir zerstören nach und nach unsere Umwelt und damit am Ende auch uns selbst. Die Liste der Klimasünden ist lang, es gilt sie anzugehen, die Zeit drängt, Aktion ist gefragt. Aktionen, die immer wieder durch die unselige Kraft von Ja, aber blockiert werden.


JA, UND ist die Antidote des JA, ABER…

Einwände sind gut und richtig, sie schärfen mit Perspektivenwechsel den Blick und führen uns im Idealfall sogar weiter. Dabei ist es jedoch notwendig auf einer Sachebene zu bleiben. Gerade als Führungskräfte dürfen wir Diskussionen nicht aufhalten, sie sabotieren und jegliches Fortkommen behindern, denn führen hat mit Bewegung zu tun, nicht mit Stillstand und Boykott. Karen Hough, CEO von ImprovEdge, erklärt das JA, ABER zum bösen Zwilling von JA, UND. Sie plädiert dafür JA, ABER durch JA, UND zu ersetzen und es als leistungsstarkes Tool für Zusammenarbeit, Verhandlung und effektive Kommunikation einzusetzen. Das Konzept von JA, UND stammt aus dem Improvisationstheater und hat in den vergangenen Jahren branchenübergreifend die Kommunikation von Führungskräften und Teams zum Positiven verändert. Wenn die JA, ABER aus Gesprächen und Verhandlungen eliminiert und stattdessen JA, UND verwendet werden, vermittelt man statt Ablehnung und Entmutigung positives Engagement, Wertschätzung und Unterstützung. Dieses einfache Tool schafft wirksame Zusammenarbeit in Konfliktzeiten und hebt die Stimmung in schwierigen Zeiten. Genau diese JA, UND-Mentalität brauchen wir nicht nur in Unternehmen, sondern auch auf globaler, politischer und gesellschaftlicher Ebene. Nur dann schaffen wir den Weg aus der Stagnation, hin zu lösungsorientierten Haltungen.


Ja, UND verbindet. Althergebrachtes mit Neuem, die Gegenseite mit der eigenen, voneinander Getrenntes wird auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. In einer global vernetzten Welt wie der unseren sind diese gemeinsamen Nenner für ein positives Vorankommen unbedingt notwendig. Alles andere ist völlig kontraproduktiv.

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