Warum Change Management so häufig versagt

Auszug aus Sabine Gromers Abschlussarbeit an der Columbia University für Change Leadership

Laut einer Studie der Boston Group Consulting aus dem Jahr 2017 wächst die Change-Management-Industrie jährlich um 5% mit weltweiten Ausgaben von 10 Milliarden Dollar pro Jahr für Change-Management-Beratung (Intelligence, 2016). Allerdings kommt dieselbe Studie zum Ergebnis, dass 50% der Programme ihre Ziele verfehlen und bei komplexeren Veränderungsbemühungen die Misserfolgsrate sogar auf 75% steigt. Mehr noch: Trotz umfangreicher Forschung auf diesem Gebiet sind diese Misserfolgsraten praktisch unverändert geblieben (Tollman, et al., 2017).

Im Rahmen meiner Abschlussarbeit habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, warum es zu derart hohen Misserfolgsraten kommt.

Könnte es sein, dass wir Veränderungsbemühungen einfach am falschen Element oder an der falschen Position eines Systems beginnen?

Veränderungen werden von Führungspersonen mit analytischen Funktionen seltener angenommen als von Personen, die weniger Macht und Privilegien innehaben. Sie haben Lust auf Veränderung und setzten Maßnahmen wesentlich schneller um. Aus meiner Sicht sind diese Personen deshalb offener, weil sie an einer Verbesserung ihrer Situation interessiert sind.

Sind Change Management-Bemühungen in Teilen von Organisationen mit weniger Privilegien und Macht erfolgreicher?

Eine Frage auf die ich schnell gestoßen bin: Könnte die Implementierung von Veränderungsbemühungen in Teilen von Organisationen mit weniger Privilegien und Macht zu erfolgreicheren Umsetzungen von Veränderungsbemühungen führen und dadurch

  • eine Homöostase verhindern, weil diese Teile nicht zum „business as usual“ zurückkehren wollen,
  • und das Interesse der privilegierten Teile durch die Konzentration auf einen unterbewerteten Teil der Organisation wecken, was zu einer Furcht vor Machtverlust führt, die eine Sogwirkung erzeugt
  • wodurch wiederum ein Überraschungseffekt in der Organisation entsteht, der es ermöglicht, dass Veränderungen in anderen Teilen der Organisation leichter stattfinden können?

Meiner Meinung nach könnte dieser neue Ansatz mit Fokussierung auf weniger machtvolle Teile eines Unternehmens/einer Organisation wesentlich erfolgreicher sein als der traditionelle Zugang. Er kombiniert eine Reihe verschiedener Elemente der Veränderungstheorie: die Sichtweise des Systems, Macht und Einfluss, Homöostase, während wir gleichzeitig unser Wissen über ideale Veränderungsprozesss nutzen.
Dennoch glaube ich, dass es drei Bedingungen gibt, die erfüllt sein müssen, damit dies auch wirklich erfolgreich sein kann:

  • Unterstützung von der obersten Spitze der Organisation (Exekutivausschuss, Vorstand) und die Bereitschaft, Veränderungsbemühungen auch öffentlich zu unterstützen, zu kommunizieren und für sie zu werben.
  • Es muss ein Teil der Organisation für Change-Maßnahmen gewählt werden, der als Drehscheibe im System fungiert, der mit allen oder fast allen Teilen der Organisation verbunden ist und mit ihnen zusammenarbeitet, und
  • dieser Teil wird als weniger privilegiert angesehen.

Was ist Homöostase?

Homöostase ist die Tendenz eines Organismus oder Systems, einen ausgeglichenen und konstanten inneren Zustand aufrechtzuerhalten.

Das kann man gut mit einem Mobile vergleichen, das egal wie stark die Einwirkung von aussen ist, immer wieder zurück in den Ursprungszustand kommen wird.