Let's Singletask

Wie uns der Mythos Multitasking jeden Tag Zeit und Energie raubt

Gekürzte Version

Erinnern Sie sich an die grauen Herren aus dem Buch Momo von Michael Ende? Sie haben den Auftrag, den Menschen ihre Zeit zu stehlen. Vielleicht waren sie es ja, die das Ammenmärchen vom Multitasking verbreitet haben, um uns wertvolle Zeit zu rauben. Wir müssen endlich damit aufräumen: Menschen sind nicht multitaskingfähig.

Wider Erwarten hat das auch herzlich wenig mit unserem Geschlecht zu tun. Das menschliche Gehirn ist schlichtweg nicht dafür ausgestattet. Auch wenn man es Frauen seit jeher nachsagt, dass sie es in die Wiege gelegt bekommen haben, gleichzeitig unzählige Dinge schupfen zu können: einer hundertarmigen hinduistischen Göttin gleich E-Mails schreibend, telefonierend, Kind schaukelnd und mit Kochlöffel das Mittagessen zubereitend. Dieser Glaube an die multitaskende Frau schadet uns mehr, als er uns hilft, denn er setzt uns unter Druck Unmögliches leisten zu müssen. Für Menschen aller Geschlechter gilt jedoch: Multitasking führt nicht zum gewünschten Ziel. Es ist weder zeitsparend noch effektiv. Im Gegenteil: Es kostet uns jeden Tag Zeit, verursacht unnötigen Stress und reduziert unsere Denkleistung und mentale Gesundheit.

Sie glauben mir nicht und sehen sich als lebenden Beweis für erfolgreiches Multitasking?

Dann versuchen Sie folgendes: Merken Sie sich die folgenden Zahlen – 27, 4, 13 und 1 – und schreiben Sie gleichzeitig eine E-Mail an eine:n Geschäftspartner:in. Sie werden höchstwahrscheinlich folgendes Problem haben: entweder Sie schaffen es nicht die E-Mail zu schreiben, weil Sie in Gedanken am Memorisieren der Zahlen hängenbleiben oder Sie vergessen die Zahlen. Damit sind Sie in bester Gesellschaft. Unterschiedliche Multitasking-Tests kamen alle zum selben Ergebnis.

Studien des Psychologen David Strayer kamen zum Schluss, dass insgesamt 97,5 Prozent der Menschen bei Multitasking-Tests durchfallen und es uns unmöglich ist, eine Fähigkeit zum Multitasking zu erlangen. Weitere Untersuchungen der Stanford University ergaben sogar, dass chronische Multitasking-Performer in ihren Ergebnissen schlechter abschneiden als gelegentliche Multitasking-Performer.

Unser Kurzzeitgedächtnis kann nur zwischen fünf und neun Dinge abspeichern. Wenn man versucht zwei unterschiedliche Arbeiten gleichzeitig durchzuführen und beide einen gewissen Grad an Konzentration und Aufmerksamkeit benötigen, scheitern wir. Unser Gehirn streikt, denn es kann nicht zwei simultane, unterschiedliche Informationsquellen fehlerfrei ins Kurzzeitgedächtnis abspeichern. Und wenn Dinge nicht im Kurzzeitgedächtnis abgespeichert werden, können sie auch nicht ins Langzeitgedächtnis transferiert werden und sind damit später auch nicht mehr greifbar.

Die Idee des Multitaskings geht mit dem Irrglauben einher, dass alle Aufgaben gleich wichtig sind und gleich schnell erledigtwerden müssen. Wir versuchen also mehr in den Tag zu packen als möglich ist, anstatt uns auf das Wichtigste zu konzentrieren. Im Hin- und Herwechseln zwischen Aufgaben wählt unser Gehirn aus, welche Information verarbeitet und welche ignoriert wird. Wenn wir etwas hören, wird unser visueller Kortex weniger aktiv sein. Wenn Sie also telefonieren und gleichzeitig an Ihrem Computer arbeiten, nehmen Sie nachgewiesenermaßen weniger von dem auf, was im Gespräch gesagt wird.

Fakt ist also wir leiden unter einem Mulittasking-Paradoxon: Anstatt Produktivität schafft Multitasking nur eine Illusion von Produktivität.

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Diese Grafik veranschaulicht auf eindrückliche Weise, wieviel Zeit wir durch unterbrochenes und daher unfokussiertes Arbeiten verlieren. Forscher:innen schätzen, dass wir rund ein Drittel unseres Arbeitstags dadurch verlieren, dass wir halbkonzentriert zwischen verschiedenen Tasks switchen. Das sind auf eine Arbeitswoche gerechnet immerhin eineinhalb Arbeitstage, die wir fokussiert produktiv hätten nutzen können.

In 6 Schritten zum erfolgreichen Singletasking

Wir werden die technologischen Fortschritte nicht rückgängig machen können. Aber wir können uns gewisse Strategien aneignen, die uns dabei helfen, nicht dauernd den Fokus zu verlieren.


Schritt 1: Schaffen Sie Ruhe vor dem Sturm

Nehmen Sie sich vor jeder Aufgabe Zeit für Stille. Das muss nicht lange sein. Ein bis drei Minuten sind völlig ausreichend. Und mit Stille meine ich Stille. Stille, in der Sie sich auf Neues einlassen und fokussieren. So kommen wir wirklich beim Thema an. So zeigen wir Würdigung für die Aufgabe und das Hier-Und-Jetzt.  Darum beginnt auch jede meiner Coaching-Sessions mit einem Stille-Ritual.


Schritt 2: Treffen Sie eine Entscheidung darüber was wirklich wichtig ist

Die allerwichtigste Aufgabe, um effizient und produktiv zu bleiben, liegt in der Priorisierung von Aufgaben. Das geht damit einher, dass wir uns von Dingen verabschieden, die uns zu viel Zeit und Energie kosten und dabei wenig Nutzen bringen. Die von mir sehr geschätzte Pareto-Regel bringt das gut auf den Punkt. Ihr zufolge führen 20% Ihrer Aktivitäten zu 80% Ihres Erfolgs, genauso wie 20% Ihrer Kunden 80% Ihres Ertrags ausmachen. Seien Sie also selektiv in der Auswahl Ihrer Handlungen, aber konsequent in der Umsetzung.

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Schritt 3: Machen Sie das Wichtigste zuerst


Sie kennen das bestimmt. Wir schieben gerne Dinge auf, die wichtig sind, weil sie uns auch viel Kraft kosten. Stattdessen beschäftigen wir uns mit Tasks, die leicht von der Hand gehen, die uns wenig Mühe machen. ABER davon sollten wir uns lösen. Machen Sie das Wichtigste immer zuerst. Nicht das, was am einfachsten geht. Schaffen Sie sich Fokuszeit – bspw. vormittags von 10-12 Uhr – in der Sie immer die wichtigste Aufgabe eines Tages erledigen. Das schafft eine immense Erleichterung und der Rest des Tages wird ohne nagendes schlechtes Gewissen wie von selbst gehen.


Schritt 4: Sagen Sie NEIN und schreiben Sie eine Don’t Do Liste

Einer meiner liebsten Glaubenssätze ist: Jedes Nein im Außen ist ein Ja zu mir selbst. Dieses einfache Motto ist ein gewichtiges Priorisierungstool. Nur wenn wir es schaffen Nein zu Dingen zu sagen, die für uns weniger wichtig sind, schaffen wir es auch uns voll und ganz auf das zu konzentrieren, was wirklich von Bedeutung ist. Schreiben Sie täglich eine Don’t Do-Liste mit all den Dingen, für die Sie heute keine Zeit investieren werden. Und haken Sie abends ab, was sie davon tatsächlich nicht umsetzen konnten.


Schritt 5: Planen Sie tägliche Alleinzeit ein


Blocken Sie jeden Tag etwas Zeit für sich selbst, um Ihre Prioritäten festzulegen, um über Ihre Ziele nachzudenken und wie Sie sie umsetzen können. So werden Sie es schaffen Ihren Fokus und Ihre Fähigkeiten entsprechend aufzuladen. Wir sind oft den ganzen Tag von Menschen umgeben. Daraus resultiert ein nie enden wollender Strom aus Gesprächen und Reizen, der uns von unseren eigentlichen Arbeiten ablenkt. Wenn wir nie Zeit für uns allein haben, kann es mitunter schwierig sein, irrelevante Informationen herauszufiltern und uns auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist, was wiederum zu unnötigem Multitasking und Zeitverschwendung führt. Dies gilt sowohl für unser Privat- als auch für unser Berufsleben, und deshalb ist es wichtig, dass wir regelmäßig Zeit für uns selbst einplanen.

Schritt 6: Verknappen Sie Ihre Zeit, erhöhen Sie die Dringlichkeit, genießen Sie Ihre Ungeduld

Wir sollten die uns eigene Ungeduld beim Arbeiten nutzen, sagt Autor und Führungsexperte Peter Bregman. „Schaffen Sie unrealistisch kurze Fristen“, schreibt Bregman für die Harvard Business Review. „Kürzen Sie alle Ihre Meetings um die Hälfte. Geben Sie sich selbst ein Drittel der Zeit, die Sie glauben zu brauchen, um etwas zu erreichen.“ Denn, je mehr Zeit wir haben, desto mehr Gelegenheit haben wir Dinge aufzuschieben. Wir alle wissen, dass wir unter Zeitdruck schier unglaubliches Potenzial aktivieren können. Nutzen Sie diese Kraft. Wir wissen inzwischen auch, dass unsere Aufmerksamkeit nach durchschnittlich 18 Minuten sinkt, dementsprechend macht es auch Sinn, nach einer Aufmerksamkeitsphase zu einem neuen Task überzugehen und dieser Aufgabe unsere volle Konzentration zu schenken.

Begraben wir also endlich den aus den 60er-Jahren stammenden Mythos übers Multitasking und lassen Sie uns beginnen wunderbar effiziente Singletasker:innen zu werden, denn im verzweifelten Versuch hundertarmig tausend Dinge zu erledigen, stehen wir uns damit nur selbst im Weg und werden unser volles Potenzial nicht richtig ausschöpfen können. Das Geheimnis unseres Erfolgs liegt im Priorisieren und Fokussieren. Alles andere raubt uns den grauen Herren gleich nur unsere Zeit.

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